Zuckerrübenjournal 1/2014 - page 18

18
|
Zuckerrübenjournal
LZ 9 · 2014
| A K T U E L L E S | P O L I T I K | M A R K T | B E T R I E B S W I R T S C H A F T
A N B A U
T E C H N I K | Z U C K E R |
Journal: Herr Dr. Dissemond, ist die
Kritik an Glyphosat gerechtfertigt?
Gibt es wirklich berechtigte Kritik-
punkte, wo der Einsatz nicht in Ord-
nung ist?
Dissemond:
Es gibt Bereiche, da muss
man diese Frage ganz klar mit Ja be-
antworten und das ist der Einsatz auf
Nichtkulturflächen, wenn zum Bei-
spiel Wegränder entlang von Feldwe-
gen oder Saumbiotope mit Glyphosat
behandelt werden. Und das gilt auch
für den Einsatz auf befestigten Flä-
chen, wie Garageneinfahrten oder
Rinnsteinen, was zwar verboten ist,
aber doch immer wieder vorkommt.
Dabei werden 90 % mit dem Nieder-
schlag in die Kanalisation gewaschen
und gelangen in Kläranlagen und Ge-
wässer. Dort sind die Einträge eindeu-
tig nachweisbar. Grundsätzlich dürfen
Pflanzenschutzmittel aller Art nur auf
landwirtschaftlich, gärtnerisch und
forstwirtschaftlich genutzten Flächen
eingesetzt werden. In Haus- und Klein-
gärten, dazu zählt auch der Bauerngar-
ten, dürfen nur speziell für diesen An-
wendungsbereich zugelassene Präpa-
rate zur Anwendung kommen.
Journal: Und wie sieht es mit dem Ein-
satz in der Landwirtschaft oder im
Gartenbau aus?
Dissemond:
Da ist die Kritik eindeutig
nicht gerechtfertigt! Landwirte, die
Glyphosat nach guter fachlicher Praxis
einsetzen, brauchen kein schlechtes
Gewissen zu haben. Es gibt gute Grün-
de, Glyphosat zum Beispiel nach der
Getreideernte einzusetzen, um den
Wiederaufwuchs mit beispielsweise
Quecke, Landwasserknöterich oder
Ackerwinde zu bekämpfen. Das kann
zudem in die Anti-Resistenzstrategie
gegen Ackerfuchsschwanz integriert
werden. Auch zur Bekämpfung der Alt-
verunkrautung in Zuckerrüben ist Gly-
phosat sehr gut geeignet. Aber man
sollte sich fragen, ob immer eine Be-
handlung der gesamten Fläche erfor-
derlich ist, oft reichen auch Teilflä-
chenbehandlungen.
Journal: Gibt es denn auch Anwen-
dungsbereiche in der Landwirtschaft,
die kritisch zu sehen sind?
Dissemond:
An erster Stelle wäre hier
der Einsatz ohne entsprechende Ver-
unkrautung zu nennen. Die meisten
einjährigen Samenunkräuter werden
schon mit einfachen Bodenbearbei-
tungsmaßnahmen nach der Ernte und
vor der Neuansaat ausreichend besei-
tigt. Weiterhin ist die Erntesteuerung
mit Glyphosat zu hinterfragen. Man
muss sich das so vorstellen: In der Voll-
Ist die Glyphosat-Kritik
gerechtfertigt?
Ist die Kritik am Einsatz von Glyphosat gerechtfertigt oder überzogen? Das Journal
sprach mit Dr. Anton Dissemond vom Pflanzenschutzdienst der Landwirtschafts-
kammer NRW, der sich mit demThema intensiv beschäftigt hat.
In Rüben wird Alt-
verunkrautung
mit Kamille
schwer bekämpf-
bar.
Fotos:
Dr. Anton
Dissemond
reife wird acht bis zehn Tage vor dem
aus arbeitsorganisatorischen Gründen
geplanten Erntetermin Glyphosat ein-
gesetzt. Damit wird die Reife des Be-
standes synchronisiert und die Mäh-
drescher können planmäßig rollen.
Das kann man den Verbrauchern nicht
nahebringen, auch wenn keinerlei Pro-
bleme mit Rückständen im Getreide
zu befürchten sind.
Journal: Wie funktioniert Glyphosat
eigentlich?
Dissemond:
Glyphosat blockiert ver-
einfacht gesagt ein Enzym, das für die
Bildung von drei Aminosäuren in den
Chloroplasten der Pflanzenzellen not-
wendig ist. Diesen Stoffwechselvor-
gang gibt es nur in grünen Pflanzentei-
len. Dieser zellinterne Stoffwechsel-
weg wird im tierischen Organismus
nicht benutzt, daher hat Glyphosat
hier auch keine Wirkung.
Journal: In der Diskussion sind auch
immer wieder die Abbauprodukte des
Glyphosats, was sagen Sie diesen Kri-
tikern?
Dissemond:
Das erste Abbauprodukt
ist Aminomethylphosphonsäure (AM-
PA), das auch aus vielen anderen stick-
stoffhaltigen Phosphonaten entsteht.
Hier wären Wasch- und Haushaltsrei-
niger, Geschirrspülmittel, Kosmetika
und viele industrielle Hilfsstoffe zu
nennen, also Stoffe, die kaum aus dem
modernen Leben wegzudenken sind.
Das AMPA wird weiter in Kohlendi-
oxid, Ammoniak, Phosphat und auch
ein Molekül Formaldehyd zerlegt.
Auch ein Netzmittel, welches einige
Jahre in den Pflanzenschutzmitteln mit
Glyphosat vorhanden war, geriet in die
Kritik, weil es bedenklicher als der
Wirkstoff selbst ist. Daher hatte die Zu-
lassungsbehörde die Hersteller schon
2008 aufgefordert, andere Netzmittel
zu verwenden. Dies ist auch kurzfristig
umgesetzt worden. Dennoch ist dieses
Netzmittel weiterhin Bestandteil von
vielen Hilfsmitteln des täglichen Le-
bens, wie Kosmetika, Wasch- und Spül-
mitteln, Shampoos und Bauhilfsstoffen.
Journal: Steht denn Glyphosat weiter
zur Verfügung?
Dissemond:
Ja, es sind noch mehrjähri-
ge Zulassungen vorhanden. Zudem ar-
beitet das Bundesamt für Verbraucher-
schutz und Lebensmittelsicherheit ge-
rade mit dem Bundesinstitut für Risiko-
bewertung und dem Umweltbundes-
amt an der Neubewertung im Auftrag
Dr. Anton
Dissemond
1...,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17 19,20,21,22,23,24
Powered by FlippingBook