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Zuckerrübenjournal

LZ 9 · 2016

| A K T U E L L E S | P O L I T I K

M A R K T

B E T R I E B S W I R T S C H A F T | A N B A U | T E C H N I K | Z U C K E R |

Die EU Kommission kann zwar Beihil-

fen für die private Lagerhaltung oder

in Krisenfällen sogar Exporterstattun-

gen gewähren, sie muss es aber nicht.

Unter den Marktbedingungen des

Zuckermarktes wird sich ein Preis-

und Verdrängungswettbewerb einstel-

len, in dem die Unternehmen und Re-

gionen bestehen, die Zucker zu diesen

Preisen kostendeckend anbieten kön-

nen.

Zahlungen verzerren den EU-Markt

Insgesamt zehn Mitgliedstaaten der

EU fördern den Rübenanbau auf rund

500 000 ha mit gekoppelten Direktzah-

lungen von durchschnittlich etwa

350 €/ha. Auch wenn garantiert sein

sollte, dass in diesen Ländern die Zu-

ckererzeugung nicht ausgedehnt wird,

so ist die Zuckerwirtschaft in diesen

Ländern im Verdrängungswettbewerb

erheblich geschützt – eine Entwick-

lung, die zu Verzerrungen und Effizi-

enzverlusten zuungunsten von wettbe-

werbsstarken Regionen führt.

Fabriken brauchen

ausreichend Zucker

Die schon oben beschriebene Abhän-

gigkeit zwischen den Zuckerunterneh-

men und der Landwirtschaft ist vor al-

lem auch deshalb so groß, weil die Zu-

ckergewinnung ein kapitalintensiver

Prozess ist, bei dem die Auslastung der

vorhandenen Kapazitäten ein wesent-

licher Faktor für die Gesamtkosten

darstellt. Deshalb wollen die Zucker-

unternehmen die Tagesverarbeitungs-

mengen sowie die Kampagnedauer

möglichst weit ausdehnen. Eine wett-

bewerbsfähige Erzeugung von Zucker

ist zukünftig nur möglich, wenn die

Kapazitäten ausgelastet sind. Vor die-

sem Hintergrund ist die Flexibilität

der Landwirtschaft eingeschränkt.

Wenn die Zuckerunternehmen nicht

ausreichend beliefert werden, können

sie im Preiswettbewerb nicht beste-

hen. Damit entfällt dann auch der für

die Aufnahme der Rüben notwendige

Marktpartner. Bei der Zuckererzeu-

gung gilt: „Ganz oder gar nicht.“

Vertragsverhandlungen

werden entscheidend sein

Die Schnittstelle zwischen Landwirt-

schaft und der Zuckerindustrie wird

durch Verträge geregelt. Diese Verträge

bestimmen, wer mit welchem Anteil an

der gesamten Wertschöpfung beteiligt

ist. Während Landwirtschaft und Zu-

ckerunternehmen das gemeinsame In-

teresse haben, Zucker wettbewerbsfä-

hig zu erzeugen, sind die Interes-

sen beim Rübenpreis natürlich

gegensätzlich: Landwirte wol-

len einen möglichst hohen und

die Zuckerunternehmen einen

möglichst niedrigen Preis. Hier

stellt sich die Frage der fairen

Aufteilung. Diese Frage ist bei genos-

senschaftlich organisierten Zucker-

unternehmen nicht so heikel, weil auch

der Gewinn des Zuckerunternehmens

den beteiligten Landwirten zugute-

kommt. Bei den privaten Zuckerunter-

nehmen ist das anders. Misstrauen ge-

genüber demMarktpartner wächst ins-

besondere, wenn diese ihre Zahlen

nicht veröffentlichen und damit die Ge-

winnsituation intransparent bleibt.

In den Verhandlungen mit den

Branchenorganisationen wird auch zu

regeln sein, mit wem die Zuckerindus-

trie Lieferverträge abschließt. Grundla-

ge für die Zeit nach der Quotenrege-

lung bilden historische Liefermengen

oder Genossenschaftsanteile. Inwie-

weit diese Modelle modifiziert werden,

bleibt abzuwarten. Hierbei wird auch

die Arrondierung der Anbauflächen ei-

ne Rolle spielen, die zur Kostensen-

kung und damit zur Wettbewerbsstär-

kung bedeutsam ist. Deshalb wird die

Übernahme der Transportkosten durch

die Zuckerfabrik ein wichtiger Punkt in

den Verhandlungen sein.

Wie wettbewerbsfähig der Rüben-

zucker in den einzelnen EU-Regionen

langfristig ist, hängt von unterschiedli-

chen Faktoren ab. Hier spielen vor al-

lem die Weltmarktpreise für Zucker

und die Kosten der Zuckererzeugung

eine Rolle. Es muss sich noch he-

rausstellen, wie groß die Kostensen-

kungspotenziale sind. Wichtig sind

aber auch die Preise für andere Feld-

früchte, weil der Zuckerrübenanbau in

einer Region nur dann bestehen kann,

wenn er einen zumindest gleich hohen

Deckungsbeitrag liefert wie die An-

baualternativen.

Dr. Johannes Simons

Institut für Lebensmittel- und

Ressourcenökonomik, Universität Bonn

Zuckerkontrakte gegen Preis-

schwankungen?

Die EURONEXT will im Herbst dieses Jahres einen in Euro

notierten Zuckerkontrakt auflegen. Nach dem Auslaufen der

Quotenregelung wird ein solcher Kontrakt als ein marktkon-

formes Instrument angesehen, um aus den Preisschwan-

kungen resultierende Unsicherheiten zu verringern. Hier

werden aber möglicherweise Hoffnungen geschürt, die

nicht erfüllt werden können.

Der Warenterminmarkt ist kein Ersatz für einen Mindest-

preis. Richtig ist, dass sich der Preis für Zucker durch den Ab-

schluss von entsprechenden Geschäften imVoraus fixieren

lässt. Der Warenterminmarkt ist aber kein Wunschkonzert,

an demman sich den Kauf- oder Verkaufspreis aussuchen

kann. Auch die Preise an den Warenterminmärkten unterlie-

gen starken Schwankungen. Wenn der Zuckerkontrakt nied-

rig notiert, kann man nicht zu einem hohen Preis verkaufen.

Preisentwicklungen lassen sich auch auf demWarentermin-

markt nicht vorhersagen, sodass es imVorhinein nicht mög-

lich ist, einen optimalen Kauf- oder Verkaufszeitpunkt fest-

zulegen. Diese Zusammenhänge werden in den Beispiel-

rechnungen in der landwirtschaftlichen Presse oft ignoriert,

sodass die Erwartungen an Warenterminmärkte erheblich

überzogen erscheinen.

Der Warenterminmarkt kann aber für die Verhandlungen

zwischen der Landwirtschaft und den Zuckerunternehmen

eine wichtige Rolle spielen. Aus betriebswirtschaftlicher

Sicht lässt sich ein Gleichgewichtspreis zwischen Weizen

und Zuckerrüben berechnen. Daraus lässt sich ableiten, wel-

chen Preis die Zuckerunternehmen bezahlen müssen, damit

der Deckungsbeitrag von Zuckerrüben und Weizen in einem

Gleichgewicht steht und der Zuckerrübenanbau gegenüber

möglichen Alternativen attraktiv bleibt. Insofern kann die

Börse eine regulierende Funktion haben.

Dr. Johannes Simons

Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik

Universität Bonn

unterschied zwischen dem Welt- und

dem EU-Markt abhängt.

Der Wettbewerb wird sich nicht nur

durch möglicherweise niedrigere Prei-

se verschärfen, sondern auch durch ei-

ne Zunahme der Preis- und damit der

Planungsunsicherheiten. Zurzeit gibt

es für die Landwirte durch den Rüben-

mindestpreis noch ein Sicherheitsnetz.

Dieses Sicherheitsnetz wird wegfallen.