Zuckerrübenjournal 2/2014 - page 5

| Z U C K E R | T E C H N I K | A N B A U | B E T R I E B S W I R T S C H A F T | M A R K T |
P O L I T I K
| A K T U E L L E S |
men der letzten GAP-Reform wurde
das Instrument zum Krisenmanage-
ment modernisiert. Es wurde eine Kri-
senreserve eingerichtet, um schneller
und effektiver auf Krisen reagieren zu
können, die über gewöhnliche Markt-
störungen hinausgehen. Diese Maß-
nahmen sollen zusammen mit neuen
Möglichkeiten innerhalb der zweiten
Säule der GAP dazu beitragen, Krisen
besser vorauszusehen und ihnen ent-
gegenzuwirken.
Außerdem werden Standardbestim-
mungen für die Vereinbarungen zwi-
schen Zuckerfabriken und Zuckerrü-
benanbauern beibehalten. Nach dem
Auslaufen der Quotenregelung kann
zudem weiterhin eine Beihilfe für die
private Lagerhaltung von Weißzucker
gewährt werden.
Journal: Sind die AKP- und LDC-Staa-
ten Gewinner oder Verlierer des Weg-
falls der Marktordnung, wenn es keine
gesicherten Preise mehr in Europa gibt?
Rodust:
Wenn der Weltmarktpreis über
dem Interventionspreis der EU liegt,
wie es in der Vergangenheit der Fall
war, ist es für die AKP- und LDC-Staa-
ten nicht lukrativ, ihren Zucker in der
EU abzusetzen. In der EU kam es da-
durch zu Versorgungsengpässen, da die
Quote für die Eigenproduktion lediglich
bei 85 % liegt und die übrigen 15 % im
Rahmen der Handelsabkommen mit
den LDC- und AKP-Staaten über zoll-
freie Lieferungen gedeckt werden soll-
ten. Da die AKP- und LDC-Staaten
schon jetzt auf demWeltmarkt handeln,
gehe ich davon aus, dass sie auch zu-
künftig Abnehmer für ihren Zucker fin-
den werden. Die meisten Entwicklungs-
länder behalten im Übrigen weiterhin
ihren unbegrenzten zollfreien Zugang
zum EU-Markt für Zucker.
Journal: Wird der europäische Markt
in Zukunft weiter mit europäischem
Zucker versorgt oder vielleicht doch
eher mit Zucker vom Weltmarkt?
Rodust:
In den letzten Jahren gab es
Engpässe bei der Versorgung des In-
landmarktes mit Zucker, daher hat die
Kommission seit Herbst 2010 immer
wieder Notmaßnahmen ergriffen, um
eine ausreichende Versorgung des EU-
Markts mit Zucker zu gewährleisten.
Ich denke, auch nach dem Abschaffen
der Quote wird ein Anreiz für die Er-
zeuger bestehen, Zuckerrüben anzu-
bauen, und es wird weiterhin Zucker
in Europa produziert und verkauft
werden.
Britta Reimers:
Unternehmer sind gefordert
Journal: Was passiert nach Ihrer
Meinung nach dem Wegfall der
Zuckermarktordnung 2017? Wie wirkt
sich der Wegfall auf Landwirte und
Zuckerfabriken aus?
Reimers:
Der Wegfall der alten
Zuckermarktordnung 2017 ist ein wei-
terer Schritt der Heranführung der
Landwirtschaft an den freien Markt,
eine Entscheidung, die bereits vor
mehreren Agrarreformen getroffen
wurde. Der Landwirt als Unternehmer
ist nun aufgefordert,
seine Interessen ebenso
wie in anderen Produk-
tionsbereichen selbst-
ständig zu vertreten.
Dies kann er auch wei-
terhin z. B. über Erzeu-
gergemeinschaften und
Genossenschaften tun. Hier sind die
deutschen Rübenbauern besser aufge-
stellt als andere europäische Kollegen.
Die Zuckerfabriken sind nun aufge-
fordert, sich aktiver als bisher um ihre
Rohstoffsicherung zu bemühen. Dies
kann auch zu einer Stärkung der Rü-
benanbauer im System führen, wenn
die neu zu regelnden Vertragsverhält-
nisse entsprechend geschickt gestaltet
werden. Denn eines ist sicher, die Roh-
stoffabsicherung durch den Anbau der
Zuckerrübe in Europa ist dabei ein
nicht zu unterschätzender Rückhalt.
Durch die neue Flexibilisierung ist
es aber auch möglich, dass durch Im-
porte Nachfragelücken und durch Ex-
porte Angebotsüberhänge leichter
handzuhaben sind. Hier kommt es
künftig auf das unternehmerische Ge-
schick der Zuckerfabriken an. Die ho-
hen Qualitäten des europäischen Zu-
ckers sind nämlich ein nicht zu unter-
schätzender Marktvorteil.
Journal: Was kann die EU für die
Rübenanbauer tun?
Reimers:
Die EU, speziell die Kommis-
sion, sollte natürlich auch weiterhin
den Zuckermarkt ebenso wie die ande-
ren Agrarmärkte gut im Auge behal-
ten. Sie soll nach wie vor in echten Kri-
senfällen, wenn es außerhalb normaler
Preisschwankungen zu extremem
Preisausschlägen über einen gewissen
Zeitraum kommt, im Interesse der eu-
ropäischen Rübenbauern und Zucker-
fabriken eingreifen können. Dazu müs-
sen Rat und Parlament begleitend die
Werkzeuge und Handlungsfreiheit be-
reitstellen.
Journal: Sind die AKP- und
LDC-Staaten Gewinner oder
Verlierer des Wegfalls der Markt-
ordnung, wenn es keine gesicherten
Preise mehr in Europa gibt?
Reimers:
Weder noch. Die bisher be-
vorzugte Stellung dieser Staaten wur-
de von ihnen in der Vergangenheit
nicht besonders stark genutzt, als die
Möglichkeit für zusätzliche Importe
bestand. Sie haben vorrangig andere
Staaten beliefert und ihren Anbau ent-
gegen den Erwartungen nicht
deutlich ausgebaut. Die gene-
rell immer noch steigende
Nachfragetendenz nach Zu-
cker auf dem Weltmarkt, basie-
rend auf einem zunehmenden
Zuckerkonsum aufgrund sich
verändernder Lebensgewohn-
heiten in bevölkerungsreichen Dritt-
staaten, wird auch in den nächsten
Jahren für eher hohe Preise auf dem
Weltmarkt sorgen. Zudem geht auch
ein nicht unerheblicher Teil inzwi-
schen in die Energieproduktion über.
Auch dieser Markt beeinflusst inzwi-
schen deutlich die Nachfrage.
Foto: cc-vision
LZ 20 · 2014
Zuckerrübenjournal
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Britta Reimers,
MdEP, Allianz der
Liberalen und
Demokraten für
Europa (ALDE),
Landwirtin aus
dem Kreis Stein-
burg in Schleswig-
Holstein
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