Zuckerrübenjournal 2/2014 - page 4

| A K T U E L L E S
P O L I T I K
M A R K T | B E T R I E B S W I R T S C H A F T | A N B A U | T E C H N I K | Z U C K E R |
Journal: Was passiert nach Ihrer
Meinung nach dem Wegfall der
Zuckermarktordnung 2017? Wie wirkt
sich der Wegfall auf Landwirte und
Zuckerfabriken aus?
Rodust:
Wir Sozialdemokraten haben
den Vorschlag der Kommission mitge-
tragen, die Zuckerquote 2015 auslaufen
zu lassen, um die Zuckerproduktion
der EU wettbewerbsfähiger zu machen
und die Zuckerfläche in den Mitglied-
staaten zu erhöhen. Insbesondere bei
den hohen Welt-
marktpreisen für
Zucker hat sich in
der Vergangen-
heit gezeigt, dass
das bisherige Sys-
tem der Marktord-
nung und Ein-
fuhrregelungen
nicht geeignet ist, den europäischen
Markt ausreichend zu versorgen. Die
Preise für Zucker unterliegen auf dem
Weltmarkt hohen Schwankungen. In
jüngster Vergangenheit lag der Welt-
marktpreis für Zucker über dem Ni-
veau der Interventionspreise in der
EU. Hierin liegt auch der Grund für die
Versorgungsknappheit in den europäi-
schen Mitgliedstaaten. Aus meiner
Sicht sind weder die europäischen Rü-
benerzeuger noch die Zuckerindustrie
innerhalb der EU in ihrer Existenz be-
droht. Vielmehr trägt die Aufhebung
der Quote und damit der künstlichen
Anbaubeschränkung dazu bei, die eu-
ropäische Zuckererzeugung internatio-
nal wettbewerbsfähiger zu machen.
Ich gehe nicht davon aus, dass
durch die Abschaffung der Quote für
den Rübenanbau, der Anbau von Zu-
ckerrüben in der EU eingestellt wird.
Vielmehr wird sich der Anbau von Zu-
ckerrüben in die Gunstregionen verla-
gern, auf die Standorte, auf denen der
Anbau klimatisch und ökonomisch
sinnvoll ist. Die EU-Kommission geht
in ihrem Impact Assessment zur Re-
form der GAP ebenfalls davon aus,
dass die Anbaufläche für Zuckerrüben
in der EU nach dem Quotenausstieg
stärker ansteigen wird.
Journal: Was kann die EU für die
Rübenanbauer tun?
Rodust:
Die Politik muss für vernünfti-
ge Rahmenbedingungen und Leitplan-
ken für die Erzeuger sorgen. Aller-
dings halte ich nichts davon, die Pro-
duktion planwirtschaftlich zu regulie-
ren. Die Landwirtschaft orientiert sich
Ulrike Rodust:
Erzeugungwettbewerbsfähig machen
Martin Häusling:
Rübe in Maisfruchtfolgen
Ulrike Rodust,
MdEP, Sozial-
demokratische
Partei Europa
(SPE), Hauswirt-
schafterin und
Buchhalterin aus
Holzdorf, Kreis
Rendsburg
– wie andere Wirtschaftszweige auch –
vermehrt am Weltmarkt oder versucht,
wettbewerbsfähig zu sein. Dies erfolgt
entweder auf dem globalen Markt
oder über die Abdeckung bestimmter
Nischen beziehungsweise durch die
Fokussierung auf einen regionalen
Markt.
Vor zwei Jahren hatten wir sehr gu-
te Zuckererträge innerhalb der EU und
trotzdem, aufgrund der Quotenrege-
lung, Engpässe bei der Zuckerversor-
gung beispielsweise in der Süßwaren-
industrie. Dies ist aus meiner Sicht
kein dauerhaft haltbarer Zustand. Die
Notfallmaßnahmen der Kommission
wurden in diesem Fall fast zu dauer-
haften Maßnahmen.
Wichtig ist es, dass die Politik ver-
nünftige Rahmenbedingungen schafft,
die sicherstellen, dass die Rübenerzeu-
ger einen angemessenen Preis für ihr
Erzeugnis erhalten und dass eine aus-
reichende Versorgung mit dem Roh-
stoff Zucker sichergestellt ist. Im Rah-
Martin Häusling,
MdEP, Europäi-
sche Grüne Partei
(EGP), Landwirt
aus Bad Zwesten-
Oberurff in
Hessen
Journal: Was passiert nach Ihrer
Meinung nach dem Wegfall der
Zuckermarktordnung 2017? Wie wirkt
sich der Wegfall auf Landwirte und
Zuckerfabriken aus?
Häusling:
Ich denke, das kann nie-
mand so genau voraussagen, aber es ist
wahrscheinlich, dass die Zuckerpreise
direkt vom Weltmarktpreis abhängig
und die Märkte volatiler sein werden.
Zum Beispiel wird sich die amerikani-
sche Ethanol-Produktion aus Zucker-
rohr so auch stärker auf die Preise in
der EU und in Deutschland auswirken.
Wie überhaupt der Preis für fossile
Kraftstoffe, der für die Entwicklung
des Ethanolmarktes eine große Rolle
spielt, hier richtungsweisend sein
wird.
Journal: Was kann die EU für die
Rübenanbauer tun?
Häusling:
Was sie hätte tun können,
wäre gewesen, die Zuckermarktord-
nung beizubehalten. Das System hat
funktioniert. Wir Grüne haben immer
gegen die Aufhebung der Zucker-
marktordnung gestimmt.
Es wird sich zeigen, ob die heimi-
sche Zuckerindustrie bei hohen
Weltmarktpreisen lieber auf dem ein-
heimischen Markt einkauft. Allerdings
kann der Einkauf in der globalisierten
Welt schneller umgestellt werden, als
ein Landwirt planen kann. Ich denke,
ganz grundsätzlich sollten Zucker-
rübenbauern über Diversifizierung
nachdenken. Das ist in Zeiten volatiler
Märkte grundsätzlich ökonomisch
klüger. Dafür gibt es auch Unter-
stützungsprogramme aus der zweiten
Säule.
Journal: Sind die AKP- und
LDC-Staaten Gewinner oder
Verlierer des Wegfalls der Markt-
ordnung, wenn es keine gesicherten
Preise mehr in Europa gibt?
Häusling:
Nun, sie sind klar Verlierer,
da sie keinen bevorzugten Marktzu-
gang mit relativ sicher abzuschätzen-
den Absatzzahlen mehr haben.
Journal: Wird der europäische Markt
in Zukunft weiter mit europäischem
Zucker versorgt oder vielleicht doch
eher mit Zucker vom Weltmarkt?
Häusling:
Das hängt, wie oben
dargelegt, von einigen Faktoren ab.
Aber natürlich spielt hier auch der re-
lative Deckungsbeitrag eine Rolle. So-
lange Mais für Biogas so stark geför-
dert wurde, war der Deckungsbeitrag
für Zuckerrüben relativ gesehen gerin-
ger. Das könnte sich jetzt wieder än-
dern. Aus phytosanitären Gründen
müsste man in einigen Gegenden
ohnehin die Zuckerrübe in den Mais-
monokulturanbau als
Mindestfruchtfolge
schalten. Der Markt
vergütet solche
nachhaltigen Über-
legungen aber bisher
nicht.
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