Zuckerrübenjournal 4/2012 - page 6

A K T U E L L E S
P O L I T I K
M A R K T
B E T R I E B S W I R T S C H A F T
A N B A U
T E C H N I K
Z U C K E R
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Z U C K E R R Ü B E N
J O U R N A L
LZ 49 · 2012
von Rübenanbauern war zwar schmerz-
lich, hat uns aber ohne Frage vorange-
bracht. Eine Herausforderung bleibt die
spürbar gestiegene Konkurrenz mit ande-
ren Ackerkulturen. Deshalb arbeiten Rü-
benanbauer und Zuckerindustrie zusam-
men mit den vor- und nachgelagerten
Sektoren weiter an Effizienzsteigerungen.
Die Innovationskraft des Wirtschafts-
standorts Deutschland ist dafür ein klarer
Vorteil. Die Verlängerung der Zucker-
marktordnung würde uns den notwendi-
gen zeitlichen Rahmen geben und gleich-
zeitig die Versorgung mit Zucker sichern.
Journal:
Welche Arbeitsschwerpunkte se-
hen Sie für die nächsten Jahre? Wo möch-
ten Sie Akzente setzen?
Tissen:
Zucker wurde zuletzt häufig ver-
antwortlich für Übergewicht und diverse
Krankheiten gemacht. Die betreffenden
Medien kommen damit demWunsch der
Verbraucher nach einfachen Botschaften
entgegen. Die Sachinformation bleibt
aber auf der Strecke. Der Verbraucher
fühlt sich bereits unter Druck gesetzt, auf
Zucker zu verzichten. Hier möchte ich ge-
gensteuern. Denn ernährungswissen-
schaftliche Fakten sprechen nicht gegen
Zucker. Warum sollte der Verbraucher al-
so auf dieses wunderbare Produkt ver-
zichten und Askese üben? Wir wollen ihn
über die ganze Kette – vom Acker bis zur
Kaffeetasse – informieren und ihm das
gute Gefühl beim Zuckergenuss zurück-
geben.
Journal:
Wie groß ist die Konkurrenz von
Stevia oder anderen Zuckerersatzstoffen
für den Rübenzucker? Wie wird sich der
Verbrauch von Zucker entwickeln?
Tissen:
Landläufig heißt es zwar Stevia. Es
geht aber um die durch Extraktionsver-
fahren aus dieser Pflanze gewonnenen
Steviolglycoside. Seit Ende 2011 sind sie
als Zusatzstoff E 960 für bestimmte Le-
bensmittelgruppen zugelassen. Sie ha-
ben eine bis zu 300-fach höhere Süßkraft
als Zucker. Deshalb kommen sie in erster
Linie als Ersatz für andere zugelassene
Süßstoffe infrage. Sicher werden weiter-
hin neue, damit gesüßte Produkte auf
den Markt kommen. Allerdings setzen
technologische Notwendigkeiten Gren-
zen – backen Sie mal einen ansehnlichen
Kuchen ohne Zucker. Ein metallischer
Nachgeschmack und aus Gründen des
Verbraucherschutzes vorgeschriebene
Höchstwerte setzen dem Einsatz von Ste-
violglycosiden enge Grenzen. Daher sind
sie auch keine Konkurrenz zum Zucker.
Natascha Kreuzer
Verlängerung bis 2020 unverzichtbar
Interview mit Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes
Journal:
Welche Bedeutung hat die Zu-
ckerrübe für Landwirte in Deutschland?
Ist sie noch die Königin der Feldfrüchte?
Rukwied:
In den klassischen Rübenan-
bauregionen hat die Zuckerrübe nach wie
vor große Bedeutung. Allerdings hat sie
durch die Reform der Zuckermarktord-
nung 2006 bis 2009 einen Großteil ihres
Vorsprungs vor anderen Ackerbaukultu-
ren eingebüßt. Bei Erzeugerpreisen von
250 € / t Brotweizen und 460 € / t Raps
gibt es attraktive Alternativen zur Rübe.
Zudemmüssen sich die europäischen Rü-
benanbauer nach der Reform zunehmend
der Konkurrenz des Weltmarkts stellen,
die wegen geringerer Umwelt- und Sozi-
alvorschriften noch immer Wettbewerbs-
vorteile hat. Deshalb brauchen die Zu-
ckerrübenanbauer in der EU noch Zeit,
um ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter zu
verbessern.
Journal:
Sie sind selber Ackerbauer. Wel-
che Bedeutung hat die Zuckerrübe für Ih-
ren Betrieb?
Rukwied:
Die Rübe ist für meinen Betrieb
nicht nur wirtschaftlich, sondern auch
ackerbaulich von großer Bedeutung. Als
Hackfrucht lockert sie die Fruchtfolge auf,
trägt zur Erhaltung der Bodenfruchtbar-
keit bei und verhindert einseitige Schäd-
lings-, Krankheits- und Unkrautbelastun-
gen. Das gilt im Übrigen nicht nur für
meinen Betrieb, sondern auch für die Re-
gion.
Journal:
Die Diskussion um die Verlänge-
rung der Zuckermarktordnung begleitet
die Anbauer schon viele Jahre. Wie beur-
teilen Sie die Chancen einer Verlänge-
rung?
Rukwied:
Die Zuckermarktreform von
2006 bis 2009 war für uns Bauern und die
Zuckerunternehmen sehr schmerzlich. Der
Rübenmindestpreis wurde um 40 %, der
Referenzpreis für Weißzucker um 36 %
und die Zuckerquote um rund 30 % ge-
senkt. Diese Einschnitte sind noch nicht
verdaut. Die Europäische Union hat sich
vomweltweit zweitgrößten Nettoexpor-
teur zu einem der größten Nettoimporteu-
re entwickelt; unser Selbstversorgungs-
grad liegt nur noch bei 85 %. Für eine auch
in Zukunft sichere Versorgung mit Zucker
in der EU brauchen wir die Verlängerung
der Zuckermarktordnung bis mindestens
2020. Deswegen setzt sich der Deutsche
Bauernverband bei der Weiterentwicklung
der EU-Agrarpolitik konsequent dafür in
Brüssel ein. Das Europäische Parlament
und das Bundeslandwirtschaftsministeri-
um unterstützen uns dabei. Wir werden
dafür kämpfen, dass unsere Forderungen
in die neuen Verordnungen der EU-Kom-
mission über die gemeinsame Marktorga-
Joachim Rukwied, seit Juni 2012 Präsident des Deutschen Bau-
ernverbandes, bewirtschaftet einen 290-ha-Ackerbaubetrieb
mit Feldgemüse und Weinbau im Landkreis Heilbronn. Als Vor-
sitzender des Verbandes baden-württembergischer Zuckerrü-
benanbauer ist er auch ein ausgezeichneter Kenner der Zucker-
branche.
Joachim Rukwied
Foto:
Natascha Kreuzer
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