Zuckerrübenjournal 4/2012 - page 5

LZ 49 · 2012
Z U C K E R R Ü B E N
J O U R N A L
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Z U C K E R T E C H N I K A N B A U B E T R I E B S W I R T S C H A F T M A R K T
P O L I T I K
A K T U E L L E S
Sektor zieht an einem Strang
Interview mit Günter Tissen, Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ)
Günter Tissen
Journal:
Herr Tissen, wie steht es denn
aktuell in der Diskussion um die Verlän-
gerung der Marktordnung?
Tissen:
Die Europäische Kommission will
die Zuckermarktordnung 2015 auslaufen
lassen. Hier hat sie sich nicht bewegt. Die
Mehrheit der Mitgliedstaaten ist dage-
gen für eine Fortsetzung. Bereits im letz-
ten Jahr hat sich das Europäische Parla-
ment für eine Fortsetzung bis mindes-
tens 2020 ausgesprochen. Jetzt beraten
die Abgeordneten den genauen Wortlaut
der künftigen Verordnung. Anschließend
wird der Agrarausschuss und dann das
Plenum abstimmen. Ich gehe davon aus,
dass die Abgeordneten zu ihrer bisheri-
gen Position stehen.
Journal:
Wer sind denn zurzeit Befürwor-
ter und Gegner einer Verlängerung? Wie
ist die Stimmungslage in Europa? Ilse
Aigner und ihr französischer Amtskollege
haben sich ja jetzt für eine Verlängerung
bis 2020 ausgesprochen. Wie viel Ge-
wicht hat so eine Stellungnahme?
Tissen:
Marktliberale Länder, wie Däne-
mark und Schweden, sind für den Kom-
missionsvorschlag. Länder mit Vollzeit-
raffinerien für Rohrzucker vertreten ande-
re eigene Interessen. Die klare Aussage
für 2020 aus Deutschland und Frankreich,
den beiden größten Rübenerzeugern in
der EU, ist natürlich ein wichtiges Signal.
Darauf haben andere Befürworter gewar-
tet. Allerdings wird es bis zuletzt darum
gehen, unsere Position aktiv gegen die
Zuckerverwender und Vollzeitraffinerien
zu verteidigen. Ohne Verlängerung der
derzeitigen zuckerpolitischen Regelungen
setzt die Politik Marktstabilität und da-
mit die sichere Versorgung Europas mit
Zucker ohne Not aufs Spiel.
Journal:
Wie sieht der weitere Zeitplan
aus? Wann kann man mit einer Entschei-
dung rechnen?
Tissen:
Der Agrarausschuss des Europäi-
schen Parlaments will im Januar abstim-
men. Die Abstimmung im Plenum steht
erst nach der Entscheidung über die künf-
tige Finanzplanung der EU an. Der Zeit-
punkt ist noch offen. Erst danach werden
sich Parlament, Rat und Kommission im
sogenannten Trilog über die Agrarpolitik
nach 2013 verständigen können. Ich bin
selbst gespannt, ob das gesamte Reform-
paket, bei dem Zucker ja nur ein Teil ist,
noch 2013 abgeschlossen werden kann.
Journal:
Schauen wir mal auf die WVZ. Zu
ihr gehören nicht nur die Rübenanbauer,
sondern auch die Zucker erzeugenden
Unternehmen und die Zuckerim- und ex-
porteure. Haben diese Gruppen nicht
ganz unterschiedliche Interessen? Wie
vertragen sich diese Gruppen in der WVZ?
Tissen:
Genau das ist Herausforderung
und Stärke zugleich. Die Geschlossenheit
des gesamten Sektors ist ein großes Plus.
Darum beneidet man uns nicht nur in
Deutschland, sondern auch in anderen
Ländern. Unsere gemeinsame Position
zur Zukunft der Zuckermarktordnung ist
ein anschauliches Beispiel dafür. Unsere
Geschlossenheit wirkt auch in andere
Mitgliedstaaten hinein und letztlich auch
auf EU-Ebene. Das verleiht uns gegen-
über unseren Gesprächspartnern ein
ganz anderes Gewicht. Das wiederum ist
Ansporn für die Einigung imVerband.
Journal:
Wie beurteilen Sie die Wettbe-
werbsfähigkeit der Rübenanbauer und
der Zuckerunternehmen in Deutschland?
Tissen:
Die tiefgreifende Reform der Zu-
ckermarktordnung mit der Schließung
von Zuckerfabriken und dem Ausscheiden
Dr. Dieter Langendorf: Ein Diplomat und Lenker
Am 1. Oktober übergab Dr.
Dieter Langendorf das Amt
des Hauptgeschäftsführers
der Wirtschaftlichen Verei-
nigung Zucker (WVZ) an sei-
nen Nachfolger Günter Tis-
sen. Insgesamt 32 Jahre, da-
von 23 Jahre als Hauptge-
schäftsführer, lenkte Dieter
Langendorf die Geschicke
des deutschen zuckerwirt-
schaftlichen Dachverban-
des in ganz eigener Weise: kooperativ und trotz-
dem zielstrebig, diskret, aber dennoch prägnant,
und vor allem erfolgreich. Das Werben um den
Erhalt und dieWeiterentwicklung der Zucker-
marktordnung stand von Anfang an im Zentrum
seiner politischen Arbeit. Sie darauf zu beschrän-
ken, wäre jedoch viel zu kurz gesprungen. Her-
ausforderungen, wie die deutscheWiederverei-
nigung, WTO-Verhandlungen, Freihandel, Re-
strukturierung und vieles mehr begleiteten ihn
die ganze Zeit. Er galt als fachkompetent wie
kaum ein anderer in der EU. Seine Meinung wur-
de überall geschätzt, nicht zuletzt, weil er stets
diplomatisch und niemals unsachlich auftrat.
Sein politisches Gespür half ihm, bei heraufzie-
henden Problemen immer ausreichend früh
„Witterung aufzunehmen“ und Gegenmaßnah-
men zu ergreifen.
Dieter Langendorf hat es außerdem geschafft,
in der WVZ über Jahrzehnte hinweg nicht nur
die politischen Interessen der in Deutschland
tätigen Zuckerunternehmen zusammenzubrin-
gen, sondern auch die von drei sehr unter-
schiedlichen Fraktionen: die der Rübenanbauer,
des Zuckerhandels und eben der Zuckerindus-
trie – keine leichte Aufgabe.
Auch im Rheinland war Dieter Langendorf ein
häufiger und stets gern gesehener Gast. Er ver-
säumte kaum eine RRV-Mitgliederversammlung
und war regelmäßiger Gast oder Referent bei
den Beratertagungen der Arbeitsgemeinschaft
Zuckerrübenanbau, in Arbeitskreisen und sons-
tigen Interessenkreisen. Und bei der einen oder
anderen Maschinenvorführung traf man ihn
auch mal in Gummistiefeln auf dem Feld an.
Daran wird sich hoffentlich nichts ändern –
denn einladen werden wir ihn weiterhin.
Dr. Dieter
Langendorf
Seit 1. Oktober ist Günter Tissen neuer Hauptgeschäftsführer
der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ). Das Zucker-
rübenjournal hat ihn zum Stand der Marktordnungsdiskussion
und zu seiner neuen Aufgabe befragt.
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