16
|
Zuckerrübenjournal
LZ 51/52 · 2016
| A K T U E L L E S | P O L I T I K | M A R K T | B E T R I E B S W I R T S C H A F T
A N B A U
T E C H N I K | Z U C K E R |
das Saatgut vom IfZ direkt bei den
Züchtungsunternehmen in diesem Fall
aber aus größeren Saatgutpartien ge-
zogen. Neben den Sortimentsentschei-
dungen werden im Arbeitskreis Sorten
inhaltliche und technische Details be-
sprochen, um die Effizienz der Sorten-
versuche kontinuierlich zu steigern.
Dazu gehört zum Beispiel eine Prü-
fung nicht nur unter „normalen“ Be-
dingungen, sondern auch unter Nema-
toden- und Rhizoctoniabefall, mit und
ohne Befall mit Blattfleckenkrankhei-
ten, eine Prüfung mit sehr früher Aus-
saat (Schosserprüfung) oder ganz neu
seit 2016 eine Prüfung auf Lager-
eignung der Sorten. Besonderes Au-
genmerk gilt stets der Präzision der
Sortenversuche. Nur durch eine ausrei-
chend hohe Anzahl an Standorten bei
den Sortenversuchen können belastba-
re Ergebnisse erzielt werden. Dies ist
Basisvoraussetzung für eine sachlich
fundierte Beratung des Landwirts.
Präzision und Aussagekraft
Als Maß für die Präzision von Sorten-
versuchen dient die Grenzdifferenz.
Sie beträgt für einzelne Versuche bis
zu über 5 % im Bereinigten Zuckerer-
trag. Um eine hohe Präzision bei der
Erhebung der Sortenleistung zu errei-
chen, müssen die Sortenversuche an
einer Vielzahl von Standorten angelegt
werden. Ab etwa 20 Standorten pro
Jahr und dreijähriger Testung wird ei-
ne Grenzdifferenz von 1 bis 2 % er-
reicht. Setzt man einen Durchschnitts-
ertrag von 15 t voraus, bedeutet eine
Grenzdifferenz von 2 %, dass sich ab ei-
nem Unterschied von etwa 0,3 t Zucker
pro ha zwei Sorten signifikant, das
heißt mit einer Irrtumswahrschein-
lichkeit von 5 %, unterscheiden. Dabei
ist es für die Beratung des Landwirts
außerordentlich wichtig, dass die Sor-
tenversuche dreijährig und bundes-
weit angelegt werden, um möglichst
viele verschiedene Verhältnisse hin-
sichtlich Witterung oder Boden über
alle Regionen mit einbeziehen zu kön-
nen. Darauf aufbauend wird stets ana-
lysiert, ob es eine Eignung von Sorten
für bestimmte standortspezifische Ver-
hältnisse gibt. Dies konnte aber bisher,
abgesehen vom Auftreten von Krank-
heiten oder Nematoden, nicht gefun-
den werden. Für die Beratung sind all-
gemeingültige, umweltstabile Aussa-
gen zur Sorte aber auch deshalb wich-
tig, weil die Bedingungen des Anbaus,
zum Beispiel hinsichtlich Witterung,
nicht im Vorhinein bekannt sind. Ver-
suchsserien mit einer geringeren An-
zahl Standorte liefern dagegen Ergeb-
nisse, die statistisch nicht belastbar
und somit für die Praxis nicht aussage-
kräftig sind.
Im Vergleich zu den Schwankungen
im Zuckerertrag von etwa 6 bis über
22 t/ha bundesweit auf den über 1 700
Feldern der Betriebsbefragung des IfZ
aus den Jahren 2010 bis 2014, sind 0,3 t
Zucker pro ha eine geringe Spannwei-
te. Bei einem züchterischen Fortschritt
von 0,1 % pro Jahr entspricht das über
zehn Jahre aber einer Ertragssteige-
rung von etwa 1,3 t Zucker pro ha (Gra-
fik 1). Der züchterische Fortschritt ist
deshalb Motor des Ertragsanstiegs
über die Zeit.
Fazit
Sämtliche bundesweiten Ergebnisse
des integrierten Sortenprüfsystems
stehen der Beratung der Landwirte in
allen Anbauregionen zur Verfügung
(Auszug siehe Tabelle 1). Dabei ist un-
abhängig von regionalen oder
schlagspezifischen Erfordernissen Fol-
gendes zu beachten:
◾
Die Leistungsdaten in den Sorten-
versuchen werden auf ein Sorti-
ment von drei bis vier Standardsor-
ten bezogen, die in allen Prüfungen
inklusive Wertprüfung und LNS
identisch sind. Der Mittelwert des
Sortiments wird für alle Leistungs-
daten gleich 100 gesetzt. Wechselt
das Standardsortiment, erfolgt die-
ses gleichzeitig in allen Prüfserien,
sodass ein exakter Vergleich der
Sortenleistung zwischen allen Sor-
ten in allen Prüfungen in allen Jah-
ren möglich ist. Für die Beratung
können so aus den Ergebnissen ne-
ben der Leistung auch deren Kon-
stanz abgeleitet werden. Die Er-
tragsleistung von Sorten kann zum
Teil erheblich zwischen den Jahren
schwanken, siehe die Sorten 27 bis
30 in Tabelle 1.
◾
Die Konstanz der Leistung einer
Sorte ist insbesondere beim Über-
gang von der Wertprüfung zu LNS
und nochmals zum ersten Jahr im
SV zu beachten (siehe auch Saatgut-
probenahme).
◾
Die Sicherheit, eine wirklich „gute“
Sorte zu empfehlen, nimmt mit der
Anzahl der Prüfjahre zu. Erst drei-
jährige Versuche liefern so präzise
Ergebnisse, dass darauf aufbauend
eine zuverlässige, belastbare und
damit verantwortungsvolle Bera-
tung des Landwirts erfolgen kann.
◾
Ein Leistungsunterschied zwischen
zwei Sorten im Bereich der Grenz-
differenz von 2 % entspricht bei ei-
nem durchschnittlichen Rüben-
ertrag von 80 t pro ha (18,75 %
Zuckergehalt = 15 t Zucker) und
30 € pro t Rübe etwa 50 € pro ha.
Über die Jahre trägt der züchterische
Fortschritt kontinuierlich zur Stei-
gerung des Zuckerertrags bei. Ein
effizientes Sortenprüfsystem ist Vo-
raussetzung, um die Leistung einzel-
ner Sorten zu beurteilen und den
biologisch-technischen Fortschritt
langfristig zu sichern.
Prof. Dr. Bernward Märländer
Institut für Zuckerrübenforschung, Göttingen
Saatgutverkehrsgesetz (SaatG)
§ 34 Landeskultureller Wert
Eine Sorte hat einen landeskulturel-
len Wert, wenn sie in der Gesamt-
heit ihrer wertbestimmenden Ei-
genschaften gegenüber den zuge-
lassenen vergleichbaren Sorten, zu-
mindest für die Erzeugung in einem
bestimmten Gebiet, eine deutliche
Verbesserung für den Pflanzenbau,
die Verwertung des Erntegutes oder
die Verwertung aus dem Erntegut
gewonnener Erzeugnisse erwarten
lässt. Einzelne ungünstige Eigen-
schaften können durch andere
günstige Eigenschaften ausgegli-
chen werden.
■
Tabelle 1: Bereinigter Zuckerertrag (BZE)
ausgewählter Sorten aus 69 Sortenversuchen
Sorte
BZE relativ*
Mittelwert über
drei Jahre
Jahresmittelwerte
2013
2014
2015
2013 bis 15
1**
98,0
97,6
97,5
97,7
2**
99,7
100,2
102,1
100,7
3**
102,3
102,2
100,4
101,6
100,0
100,0
100,0
100,0
:
:
:
:
27
b
100,9
100,3
101,4
100,9
28
b
106,6
106,0
107,1
106,6
29
a
102,4
99,2
104,0
101,9
30
105,8
100,4
103,4
103,2
GD
5 %
2,6
2,2
2,4
< 2
a Daten 2013 aus dem LNS-R, kursiv
b Daten 2013 aus der Wertprüfung und 2014 aus dem LNS-R, kursiv
* bezogen auf das Verrechnungsmittel des Standardsortiments** = 100
Erst die mehrjäh-
rige Prüfung zeigt,
ob sich neue Sor-
ten wirklich be-
währen.