Zuckerrüben Journal 04/2018

8 | Zuckerrübenjournal LZ 50 · 2018 | A K T U E L L E S | P O L I T I K M A R K T B E T R I E B S W I R T S C H A F T | A N B A U | T E C H N I K | Z U C K E R | Zuckerproduktion das Image der Süß- warenhersteller und das Ansehen ih- rer Produkte in der Bevölkerung sin- ken. Von daher scheint es an der Zeit, dass Zuckerhersteller und Süßwaren- hersteller gemeinsam überlegen, wie man vorankommt, anstatt aus kurzfris- tigem Egoismus die heimische – bei weltweit subventionsfreien Bedingun- gen – wettbewerbsfähige Zucker- produktion aus Zuckerrüben zu ruinie- ren. Fakt ist, man trifft sich immer zweimal: Der kurzfristige Erfolg der Süßwarenhersteller kann diesen auch mittel- und langfristig zum Nachteil geraten, wenn sie von Zuckerimporten aus Überseerohrzucker abhängig wer- den. Ein möglicher gemeinsamer Weg wäre, das Image des Zuckers durch ein höheres Qualitätsversprechen „aufzupolieren“. Hierzu zählen in ers- ter Linie: ◾ die Zuckerherkunft, Erzeugung und Verarbeitung innerhalb der EU (Regionalität) zu bewerben, ◾ eine GVO-freie Produktion zu ge- währleisten (Qualitätsverspre- chen), ◾ eine subventionsfreie, umwelt- und sozialverträgliche Produktion zu garantieren (Mindeststandards). Mit diesen genannten Attributen kann eine klare Abgrenzung gegenüber im- portiertem Überseezucker erfolgen, mit dem Ziel, damit eine „europäische Zuckermarke“ zu kreieren, die sich in der Preisfindung klar vom sogenann- ten Weltmarktzucker abgrenzt. Zu ei- ner sachgerechten Preisfindung für diesen Zucker empfiehlt sich zeit- gleich die Installation eines europäi- schen Zuckerfutures mit den entspre- chenden Kontraktspezifikationen. Der zurzeit ebenfalls stattfindende Dumpingpreiswettbewerb zwischen den europäischen Zuckerfabriken ist in jedem Fall ein wenig zielführendes Konzept. So auch die Preispolitik ei- nes bekannten deutschen Haushalts- zuckerherstellers, der zum Beispiel bei einem Discounter mit einem An- gebot von unter 45 Cent/kg für Haus- haltszucker wirbt. Sich mit diesem Sonderangebot von Überschüssen zu befreien, erscheint wenig erfolgver- sprechend. Das Signal jedoch, mit um- gerechnet 450 €/t Verkaufspreis für Kleinstpackungen im LEH zu werben, kann höchstens Süßwarenhersteller auf eine falsche Fährte führen. Zudem gilt: „Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Und überhaupt: Wie will man mit diesen Preissignalen den Anbau und die Zuckerrübenverarbeitung finanzieren? Der europäische Zucker- und Zu- ckerrübenmarkt steht vor richtungs- weisenden Entwicklungen. Der Um- bruch von einer EU-Zuckermarktord- nung zu einem völlig ungeregelten, jedoch mit vielen Subventionen ver- zerrten Weltmarkt ist sehr schwierig. Von der Politik scheint wenig Unter- stützung zu kommen, im Gegenteil, der einzige Weg scheint zu sein, dass sich die Beteiligten selbst helfen. Hierzu zählt in erster Linie eine kos- tengünstige Produktion auf dem Feld und in der Zuckerfabrik, aber auch, über eine klare Abgrenzung der euro- päischen Zuckerproduktion durch ei- ne eigene „Marke“ gegenüber dem an- onymen Weltmarktzucker nachzuden- ken. Eine Reduzierung der Produkti- on auf den europäischen Gunststand- orten scheint dahingegen ein wenig vielversprechender Weg zu sein. Wenn gemeinsame, erfolgverspre- chende Konzepte erarbeitet und ver- folgt werden, gilt es, kurzfristig gese- hen, für alle Beteiligte durchzuhalten, um zu sehen, ob die angedachten Konzepte greifen. Mittelfristig gese- hen, entscheiden in jedem Fall die Zahlen. Die Zuckerrüben- und die Zuckerproduktion muss den Anbau- ern und den Verarbeitern eine ver- nünftige Rentabilität versprechen. Hans Jürgen Hölzmann Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Indien destabilisiert den Weltmarkt E in Jahr nach Abschaffung der Zuckerquote in Europa markiert der Weltmarktpreis für Zucker ein Zehnjahres- tief. Der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Zu- cker (WVZ), Dr. Hans-Jörg Gebhard, erinnert in diesem Zu- sammenhang: „Der Preisverfall am Weltmarkt für Zucker ist ganz wesentlich auf die unfairen Subventionspraktiken der großen Erzeugerländer zurückzuführen. Zusammen mit den innerhalb der EU gezahlten gekoppelten Prämien gefährden sie nicht nur die weiteren Entwicklungschancen, sondern auf Dauer auch den Fortbestand der Zuckererzeugung in Deutschland.“ Für Rübenanbauer, Zuckerhersteller und alle Beschäftigten in diesem Sektor ist das eine gleichermaßen bedrohliche Entwicklung. Nach Angaben der WVZ ist der aktuelle Preisverfall am Weltmarkt auch auf die von der indischen Regierung jüngst geschaffenen Produktions- und Exportanreize zurückzufüh- ren. Bisher seien die indischen Zuckerrohrmühlen verpflich- tet, mindestens 2 Mio. t ihrer in diesem Jahr anfallenden Überproduktion von insgesamt 6 Mio. t zu exportieren. Der indische Staat subventioniere diese Ausfuhren über die hohen internen Garantiepreise für Zuckerrohr und Rohr- zucker. Der Überschuss am Weltmarkt werde damit vergrö- ßert. Das führe zu einem weiteren Verfall des Weltmarkt- preises. Seit dem Quotenende schlagen diese Preisentwick- lungen fast ungehindert auf den EU-Markt durch. „Die Euro- päische Union muss mit aller Schärfe gegen diese Wett- bewerbsverzerrungen vorgehen,“ so Dr. Gebhard. Weitere Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der deut- schen Erzeuger stellen unterschiedliche Bestimmungen im Bereich des Pflanzenschutzes sowie die mittlerweile in elf EU-Staaten gezahlten gekoppelten Prämien für den Anbau von Zuckerrüben dar. Italien hatte die Flächenzah- lungen für den Rübenanbau jüngst sogar noch einmal an- gehoben. „Durch gekoppelte Prämien werden nicht wett- bewerbsfähige Strukturen konserviert. Genau dies sollte durch die Reform der Zuckermarktordnung vermieden werden“, so Dr. Gebhard. Die WVZ fordere deshalb die Ab- schaffung der gekoppelten Prämien für Zuckerrüben im Rahmen der bevorstehenden Reform der Europäischen Agrarpolitik. Angesichts des aktuellen Preisverfalls am Weltmarkt so- wie der Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU fordert die WVZ von der Bundesregierung ein energischeres Eintre- ten für faire Rahmenbedingungen. Ansonsten werde sich die kritische Lage der deutschen Zuckerwirtschaft weiter verschärfen. WVZ

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